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Interview Lily King Writers & Lovers
1 September 2020

Interview mit Autorin Lily King: „Ohne Liebe hat man gar nichts in dieser Welt“

Günter Keil Interviews Buchhaltung, C.H.Beck, egofm, Günter Keil, Interview, Lily King, Writers & Lovers

Schreiben, Leben und Lieben – darum dreht sich Lily Kings neuer Roman “Writers & Lovers” (C.H. Beck), in dem die US-Amerikanerin eigene Erfahrungen beim Verfassen ihres ersten Romans verarbeitet. King ist in Massachusetts aufgewachsen, hat Englische Literatur und Kreatives Schreiben studiert und als Englischlehrerein in Spanien gearbeitet. 1999 erschien ihr erster Roman „Vater des Regens“, seitdem hat sie vier weitere veröffentlicht. „Euphoria“ (2014) wurde mit dem New England Book Award ausgezeichnet und stand auf der Shortlist des National Book Critics Award. Lily King unterrichtet an Universitäten und Oberschulen Kreatives Schreiben. Die 57-jährige lebt mit ihrem Mann und ihren zwei gemeinsamen Töchtern in Portland, Maine.

Kulturjournalist und mojoreads Redakteur Günter Keil sprach mit der Autorin für die Literatursendung “Buchhaltung” auf egofm – hier ein Auszug des gemeinsamen Gesprächs:



Als ihre Mutter plötzlich stirbt und Luke sie aus heiterem Himmel verlässt, verliert Casey den Boden unter den Füßen. Ohne wirklichen Plan landet sie mit einem Schuldenberg aus dem Studium in Massachusetts, wo sie beginnt, als Kellnerin zu arbeiten. Bei ihren Versuchen, sich aus einem Netz von Abhängigkeiten zu befreien, gerät sie immer wieder in Situationen mit Männern, die ihre Macht gegen sie ausspielen.

Die einzige Konstante in ihrem Leben bleibt das Schreiben: Der Roman, an dem sie seit sechs Jahren arbeitet, wird ihr Fluchtort, ihr Schutzraum. Aber ist sie mit 31 Jahren nicht zu alt, um sich an den losen Traum eines Lebens als Schriftstellerin zu klammern? Ihre Entscheidung für das richtige Leben ist auch eine Entscheidung zwischen zwei Männern.    

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Casey, die Hauptfigur Ihres neuen Romans, verzweifelt fast während des Schreibens an ihrem ersten Roman. Ging Ihnen das als 30-Jährige genauso?

Die Ähnlichkeiten zwischen Casey und mir sind tatsächlich groß: Ich war damals permanent pleite, hatte Schulden, jobbte als Kellnerin und war nie krankenversichert. All das erlebt auch Casey. Außerdem zog ich alle ein zwei Jahre um, von New York nach Spanien, dann nach Kalifornien, später nach New Hampshire. Es war ein rastloses, anstrengendes Leben. 

Und währenddessen haben Sie ständig geschrieben?

So war es. Mit Anfang 30 strandete ich schließlich bei meiner großen Schwester in Massachusetts. Sie nahm ich bei sich auf, in dem einzig verfügbaren Raum, einer Abstellkammer neben der Haustür, die vielleicht drei mal drei Meter klein war. Ich quetsche einen Tisch hinein und schrieb von morgens bis abends. Jahre vergingen, meine Schwester und ihr Freund kaufen ein Haus, und ich zog mit ihnen um. Ich schrieb auf dem Dachboden weiter und schickte mein Manuskript fast 20 Agenturen – alle sagten ab. Ich hatte Panikattacken und konnte nachts nicht mehr schlafen. Irgendwann klappte es schließlich doch, und ich war natürlich unendlich erleichtert.

Wie haben Sie es überhaupt geschafft, diese schwere Zeit durchzustehen und das Buch zu vollenden?

Der Roman hat mich gefestigt, aufgebaut und motiviert. Ich hatte keine Alternative zu diesem Projekt und wollte es unbedingt durchziehen. Natürlich haben mich auch meine Freunde und meine Familie unterstützt. Aber der Roman selbst war es, der mir den Halt gegeben hat.

Das hätte auch Ihre Protagonistin Casey sagen können. Ist „Writers & Lovers“ also letztlich doch ein autobiografischer Roman?

Das ginge zu weit. Ich habe zwar sehr viele meiner Gefühle und Erfahrungen einfließen lassen, aber die meisten Situationen, Dialoge und die anderen Figuren außer der angehenden Schriftstellerin sind frei erfunden. Eine weitere Parallele ist allerdings, dass meine und Caseys Mutter gestorben sind. Bei mir passierte das vor vier Jahren, völlig unerwartet, und von meiner tiefen Trauer über ihren Tod erzählt jetzt Casey im Roman.

Sie unterrichten an mehreren Universitäten und Oberschulen Kreatives Schreiben. Was raten Sie Student*innen, die mit ihren Schreibprojekten nicht vorankommen?

Setzt Euch hin und schreibt – anders funktioniert es nicht! Lest viele andere Bücher, schreibt wieder Eure eigenen Geschichten, lest zwischendurch wieder etwas von anderen Autor*innen und kehr wieder zu Euren Stoffen zurück. Außerdem ganz wichtig: Seid offen und aufmerksam für alles was Euch interessiert und neugierig macht, denn das könnte Material für Eure Bücher werden. Es bewährt sich auch, Gleichgesinnte zu suchen und sich auszutauschen. Schreibgruppen helfen, um die eigene Leidenschaft mit anderen zu teilen. Diese Begegnungen helfen auch immer dabei, die eigenen Projekte und das seltsame Leben als Schreibende etwas weniger verrückt erscheinen zu lassen.

Welches sind Ihrer Erfahrung nach die größten Klischees und irreführendsten Vorstellungen, die rund ums Schreiben kursieren?

Dass man auf die künstlerische Inspiration warten muss, und sie auch tatsächlich kommt. Dass einen die Muse küsst. Nichts ist weiter von der Realität entfernt als dieser verträumte, poetische und spirituelle Blick auf das Dasein als Schriftstellerin. Denn es ist ein Job, und man hat eine Verantwortung, der man gerecht werden muss. Alles dreht sich um Disziplin, auch bei mir. Ich stehe morgens auf, schreibe, mache eine Mittagspause und schreibe weiter. Wenn ich an einem neuen Buch schreibe, reiße ich Arbeitsstunden runter wie ein Bankangestellter.

Was hat Sie neben den autobiografischen Aspekten an „Writers & Lovers“ besonders gereizt?

Ich wollte endlich den Roman schreiben, den ich als 20 und 30-jährige so schmerzlich vermisst hatte: eine Geschichte über den holprigen Weg einer jungen Frau zur Schriftstellerin. Denn an der Highschool und am College bekam ich immer nur die volle Dosis an männlichen Autoren verabreicht. Ob Faulkner, Fitzgerald, Updike oder Hemingway, alle erzählten von ihrem Kampf mit den Manuskripten, vom heroischen Siegen und Scheitern. Aber wo waren entsprechende Bücher über Frauen? Wo waren die Bücher über deren Ringen? Mir fehlte der weibliche Kanon. Ich bin sehr froh, dass Casey nun diese Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt.

Im Roman fragt sich Casey, was wichtiger im Leben ist: Das Schreiben oder das Lieben. Was meinen Sie?

Darauf gibt es nur eine Antwort: Die Liebe. Ohne Liebe hat man gar nichts in dieser Welt.

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